Interview mit René Schilling: Eine solche extreme Situation kann man nicht planen

Ricardo SteinickeHerren 1

Am Samstag steht für den SSV LOK BERNAU das Hinrunden-Finale der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProB auf dem Plan. Für Bernau geht es auswärts beim SC Rist Wedel um einen positiven Abschluss zur Halbzeit der Hauptrunde. Zeit vorab mit LOK-Coach René Schilling ein Zwischenfazit zum bisherigen Saisonverlauf zu ziehen.

Aktuell steht ihr bei fünf Siegen und fünf Niederlagen. Wie siehst Du als Trainer den bisherigen Saisonverlauf?

René Schilling: Mit dem zweiten Teil der Hinrunde können wir zufrieden sein. Vor dem letzten Spiel der Hinrunde in Wedel haben wir vier der letzten fünf Spiele gewonnen. Den Saisonstart haben wir uns dagegen anders vorgestellt. Insgesamt geht die Tendenz klar nach oben, so dass wir den Umständen entsprechend zufrieden sind.

Von den ersten fünf Spielen konnte nur ein Spiel gewonnen werden. Warum war der Start so holprig?

Wir konnten ganz offensichtlich unsere Leistung nicht abrufen und haben als Team nicht so gut funktioniert. Das haben wir als Trainerteam natürlich analysiert und an einigen Stellschrauben gedreht. Wir haben unter anderem mit einem Spielerwechsel reagiert und Quadir Welton verpflichtet.

Die Spiele gegen Oldenburg und Itzehoe habt ihr sogar ohne US-Spieler gewonnen. Das war wohl sowas wie die Trendwende?

Die schwere Verletzung von Hendrik Drescher und auch die Trennung von Khris Lane haben das Team zusammenrücken lassen. Gegen Oldenburg haben wir dann zum ersten Mal in dieser Saison unsere optimale Leistung abgerufen. Da ist im Nachhinein der Knoten geplatzt. Das brachte der Mannschaft die nötige Gewissheit und Selbstvertrauen, dass wir auch als sehr junges Team mit vielen deutschen Spielern gewinnen können.

Die Verletzungsmisere bei ALBA BERLIN hat sich auch bei LOK niedergeschlagen. Ihr habt vier Wochen lang nur zu Acht gespielt – und dann sogar besser gespielt als zum Saisonstart.

Ja das stimmt. Wir konnten als Team den Ausfall gleich mehrerer wichtiger Leistungsträger kompensieren. Dass mal ein Guard für einzelne Spiele in der Saion fehlt, ist im Rahmen der Kooperation eingeplant. Dafür hatten wir ja auch mit Nicolai Simon einen erfahrenen Spieler geholt. Aus der letzten Saison wussten wir, dass auch Malte Delow mal als Aufbauspieler einspringen kann. Die Verletzung von Hendrik Drescher konnten wir auffangen, weil Konstantin Kovalev variabel einsetzbar ist. Und mit dem holländischen Nachwuchsspieler Quinten Post ist dann ein weiteres Talent aus dem ALBA Programm in unseren Kader gerutscht, um die Lücke durch die Drescher-Verletzung zu schließen.

Aber hätte es wegen der dünnen Personaldecke nicht Sinn gemacht noch einen weiteren Spieler zu verpflichten?

Nachdem sich bei ALBA auch noch Kenneth Ogbe –  also der vierte Guard verletzte – rutschte auch noch Bennet Hundt hoch in den Profikader. Da war bei uns das Thema natürlich präsent, ob wir nachverpflichten. Es gab und gibt dazu auch ständigen Austausch mit ALBA. Einerseits hat unser Team super reagiert und trotz der Ausfälle mit starken Leistungen wichtige Spiele gewonnen. Die Teamchemie passt momentan sehr gut! Zum anderen war es ganz klar eine temporäre Situation, die sich absehbar entspannen würde. Was wir dabei auch nicht vergessen dürfen: Jonas Mattisseck und Bennet Hundt haben in den letzten Wochen gegen Topteams im Eurocup und in der Bundesliga viele Minuten gespielt und richtig Verantwortung übernommen. Das sind Erfahrungen und Entwicklungssprünge, von denen wir in den kommenden Wochen und Monaten profitieren. Von daher hat für uns eine zusätzliche Spielerverpflichtung keinen Sinn gemacht.

Die Situation, nur mit acht Spielern in ein Ligaspiel zu gehen, ist das eine. Wie sehr hat sich das in den Wochen auf das Mannschaftstraining ausgewirkt?

In der Hinsicht war das alles recht stabil. Vorteil der Kooperation mit ALBA ist, dass wir regelmäßig Spieler auch aus der NBBL und dem Regionalliga-Team im Training haben. In den letzten Wochen haben wir nach Absprache den Trainingskader mehr als normal aufgefüllt, so dass fast immer genügend Spieler im Training waren.

Du bist als Headcoach auch für die Kaderplanung verantwortlich. Hätte man die Mannschaft anders planen müssen, um im Fall der Fälle kein so großes Loch auf der Aufbauposition zu haben?

Eine solche extreme Situation kann man nicht planen. Die Kaderplanung mache ich nicht allein. Zu jeder Zeit arbeiten wir da eng mit ALBA BERLIN zusammen, sprich also Himar Ojeda und Sebastian Trzcionka sind da involviert. Es beginnt bei uns mit einem leeren weißen Blatt Papier. Es werden dann Namen von Spielern zusammengetragen, die vom Spielertyp zu unserem Spielstil passen. Auf dem Papier stehen dann Spielernamen aus der bestehenden Mannschaft und Talente aus dem ALBA Programm.

Der aktuelle Kader ist aber schon anders zusammengestellt als in den Jahren zuvor, oder?

Ja ganz klar. Das Team ist deutlich jünger und deutlich talentierter. Wir haben bewusst aus den Erfahrungen der letzten Jahre auf eine kleinere Rotation gesetzt. Bei einer Rotation von 11 oder 12 Spielern führte es stets zu Unruhe im Team. Daher sind wir diese Saison etwas kürzer aufgestellt.

Von außen kamen in den letzten Wochen vor allem  Fragen auf, weil es in der Zusammenstellung des Teams aktuell nur vier feste Bernauer Spieler gibt. Und dafür mehr Kooperationsspieler von ALBA BERLIN.

Das ist eine logische Konsequenz der Kooperation auf der einen und ein Resultat der individuellen Entwicklung und des Talents der einzelnen Spieler auf der anderen Seite. Für uns spielt die Herkunft der Spieler keine Rolle. Es geht natürlich darum ein funktionierendes und erfolgreiches Team zu formen. Natürlich wollten wir unbedingt weiter mit einem Jonas Böhm spielen, der sich zu einer echten Identifikationsfigur entwickelt hatte. Wir haben lange alles versucht, mussten aber akzeptieren, dass seine berufliche Zukunft Vorrang hat. Wir haben ausserdem mit Robert Kulawick, Konstantin Kovalev und Bennet Hundt drei Spieler, die bereits in ihrer dritten Saison bei uns spielen und sich zu 100 Prozent auch mit dem Team und dem Verein identifizieren – wie alle anderen Spieler übrigens auch.

Worauf freust Du dich für den Rest der Saison? Oder was wünscht Dir?

Ganz ganz oben auf der Liste steht, dass alle gesund bleiben. Ich freue mich und hoffe darauf, dass wir uns als Team weiterhin so gut entwickeln. Wir haben in Bernau die Chance mit so vielen talentierten Spielern zu arbeiten und sie im Team zu haben. Das war und ist das große Ziel der Zusammenarbeit mit ALBA BERLIN. Diese Chance müssen wir nutzen und das sollte uns auch stolz machen – als Fan, Spieler und Trainer.

Das Interview führte Ricardo Steinicke.